Dass sich Tilmann Gangloff in einem Artikel um die aktuelle Situation des Animationsfilms bemüht, ist ein lobenswertes, weil seltenes Unterfangen. Leider bleibt er in einigen Fragen an der Oberfläche, lässt Behauptungen, die ich nicht nachvollziehen kann, unwidersprochen.

 

Da wäre zunächst das Argument der angeblich – zu – hohen Produktionskosten. Einen Anhaltspunkt könnten hier die jährlich von Cartoon veröffentlichten durchschnittlichen Minutenpreise für TV-Produktionen in Europa sein. Die aktuelle Zahl liegt bei 9.140,00 Euro. Vergleicht man diesen Minutenpreis mit dem einer durchschnittlichen Tatortproduktion, liegt die Animation rund 30 Prozent darunter. Auch ein Fußballspiel ist wesentlich teurer und wird im Gegensatz zum Animationsfilm kaum wiederholt. Hohe Kosten sind halt relativ.

Eine Rückblende in die 80er Jahre: Während meines Studiums im Fachbereich Animation an der HFF Potsdam-Babelsberg mussten wir mit ausgedienter 16mm-Filmtechnik und primitivem Dokumentenfilm arbeiten. Quasi nebenan, an der Sporthochschule, besaß man modernste Videotechnik aus dem kapitalistischen Ausland. So konnte ich früh erfahren, wie Prioritäten gesetzt werden.

Heute erlebe ich, wie ARD und ZDF im Jahr über 800 Millionen Euro für Sportübertragungen ausgeben, während für den Kinderbereich (in dem die Etats für Animation stecken) nicht einmal 90 Millionen zur Verfügung stehen. Das Prinzip „Brot und Spiele“ wirkt halt unabhängig von Gesellschaftsordnungen.

 

Obwohl diese Schieflage bekannt ist und immer wieder diskutiert wird, hat sich bislang nichts verändert. Ich habe den Eindruck, dass die „Selbstheilungskräfte“ des öffentlich-rechtlichen Systems versagt haben. Wo Einsicht fehlt, muss über Druck – am besten gesetzlich – von außen korrigiert werden. Umso mehr, als die Kontrolle und Regulierung über die Rundfunkräte nicht oder so gut wie nicht funktioniert. Daher ist eine Quote für bestimmte Genre unverzichtbar.

Der Animationsmarkt in Deutschland könnte ohne Probleme das Drei- bis Vierfache des aktuellen Produktionsvolumens hergeben. Ich kenne viele Kollegen in Köln, Hamburg oder Berlin mit freien Kapazitäten, die international anerkannte Produktionen gestemmt haben.

 

Als Jurymitglied für den BKM-Kurzfilmpreis habe ich jedes Jahr eine gute Übersicht über die erfreuliche Vielfalt an Kreativität und künstlerischen Handschriften in der Animation. Schaue ich mir jedoch das aktuelle TV-Programm an, finde ich diese nicht wieder. Wo ist hier die Sollbruchstelle? Wieso kommen diese Handschriften im Programm nicht vor? Wieso gibt es nur selten einen Animationsfilm für Erwachsene? Die nahezu permanente Abwesenheit dieses Genres ist nicht, wie oft behauptet wird, ein ökonomisches Problem, denn Geld ist im öffentlich-rechtlichen System reichlich vorhanden. Es ist vielmehr ein kulturelles Problem. Es ist die fehlende Bereitschaft führender Programmverantwortlicher, die Breite und Vielfalt unserer Gesellschaft auch auf dem Bildschirm zuzulassen.

 

Doch an dieser Stelle Redaktionsschelte zu betreiben, trifft in der Tat die falschen. Denn in den Redaktionen wird mehr oder weniger kreativ nur noch der Mangel verwaltet. Auch wenn ARD und ZDF heute ca. 300 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben als im Jahre 2008, so sind die Etats vieler Redaktionen gleich geblieben oder gekürzt worden. Die Ursachen liegen also tiefer. Oder besser höher, nämlich in den Intendanzen und Programmdirektionen, wo über die Wirtschaftspläne finanzielle Prioritäten gesetzt werden.

Der Rundfunkstaatsvertrag fordert von ARD und ZDF Vielfalt ein. Dafür müssen alle bezahlen, auch wenn Sie keinen Rundfunk nutzen. Dieser Vielfalt der Genre wie auch in den Genres sollten ARD und ZDF gerecht werden. Sollten …

 

Ralf Kukula

Vorsitzender der AG Animationsfilm e.V.